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Die Arbeitsgemeinschaft der Redakteursausschüsse (AGRA) ist eine Plattform, auf der sich die Redakteursvertreter von ARD, Deutschlandradio, Deutsche Welle und ZDF austauschen. Sie ist ein Zusammenschluss der journalistischen und künstlerischen Programmmitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands. Die Redakteursmitwirkung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat Verfassungsrang und ist in mehreren Bundesländern gesetzlich festgeschrieben.[1][2]
Inhaltsverzeichnis
Rolle in der Zivilgesellschaft
Wichtigste Funktion der Arbeitsgemeinschaft sind inzwischen Verlautbarungen zu wichtigen, die Rundfunkfreiheit tangierenden Fragen. So haben die Redakteursvertretungen gemeinsame Erklärungen zum Thema Unabhängigkeit des Programms von Werbung und Politik, zur Verschlechterung des Sendeplatzes des ARD Kulturmagazins ttt – titel, thesen, temperamente und zur Verkürzung der Politikmagazine der ARD abgegeben. Mit der Kommentierung konkreter Fälle wie z. B. ZDF - Chefredakteur Nikolaus Brender und Ministerpräsident Roland Koch[3][4] verfolgen sie eine verfassungsrechtliche Aufgabe.
Henning Voscherau wertet ihre Aufgabe zur öffentlichen Einmischung in einem Gastbeitrag für das Hamburger Abendblatt so:[5] Es waren die ARD-Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse, die Kochs Einflussnahme als eine "Gefährdung der Unabhängigkeit nicht nur des ZDF, sondern des ganzen öffentlich-rechtlichen Systems" werteten. Damit hatten sie Recht.
Die Legitimität von gemeinsamen Äußerungen der Arbeitsgemeinschaft wird von der Leitung der Sender regelmäßig in Frage gestellt. Die Arbeitsgemeinschaft sieht sich – wie auch die Redakteursvertreter der einzelnen Sender - nicht selten dem Vorwurf der Nestbeschmutzung ausgesetzt. Dazu Jörgpeter Ahlers, langjähriger Sprecher des NDR-Redakteursausschusses[6]: Natürlich äußern wir uns zu wichtigen Fragen auch öffentlich. Es ist gut, dass öffentlich-rechtliche Journalisten und Künstler mit eigener Stimme (über ihre durch Wahl legitimierten Vertretungen) auf ihre Unabhängigkeit pochen und sich zu Wort melden, wenn sie die Rundfunkfreiheit tangiert sehen: Von außen, z. B. durch politische Einflussnahme bei Personalien oder durch regierungskonform formulierte Staatsvertragsentwürfe. Oder von innen, durch Fehler oder Ungeschicklichkeiten der Leitung. Dass Redakteursvertretungen nicht in allen Fragen mit Programmdirektoren und Chefredakteuren einer Meinung sind, liegt auf der Hand und trägt zu einer lebendigen Debatte bei.
Ziele der AGRA
Bei ihrer Gründung hat sich die AGRA am 29. November 1983 folgende Ziele gesetzt:
- Einen ständigen Informationsaustausch untereinander zu gewährleisten, insbesondere über:
- Konfliktfälle in Programmangelegenheiten
- Einschränkung der Programm-Freiheit
- Druck von Interessengruppen auf Programm oder Programm-Mitarbeiter
- Gemeinsame Stellungnahmen zu verabschieden
- bei für alle Anstalten wichtigen Programmkonflikten
- bei Eingriffen in die Pressefreiheit
- zu allgemeinen medienpolitischen Entwicklungen
- Aktivitäten zum Schutz der Rundfunkfreiheit zu koordinieren
Am 29. Oktober 2004 wurden die ursprünglichen Ziele angesichts der Auswirkungen des dualen Rundfunksystems wie folgt ergänzt und präzisiert:
- Sicherung der redaktionellen Unabhängigkeit der Programmmacher vor politischen und ökonomischen Interessen.
- Wahrung eines öffentlich-rechtlichen Profils. Dabei dürfen Qualität und Quote nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wettbewerb versteht die AgRa nicht als Anpassung an sondern als Auseinandersetzung mit der privaten Konkurrenz. Es muss auch in Zukunft Raum sein für Recherche und kritischen Journalismus.
- Ausweitung statt Reduzierung von Aus- und Fortbildung, damit die Qualitätsstandards des Öffentlich-Rechtlichen garantiert werden.
- Die AGRA fordert einen Stopp der Ausgliederung und Privatisierung von Programmaufgaben und stattdessen eine Ausweitung der Eigenproduktionen.
- Die AGRA wendet sich gegen die Reduzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf eine rein wirtschaftliche Dienstleistung.
Die AGRA versteht den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag, abgeleitet aus Art. 5 GG (Rundfunkfreiheit) als eine Lehre, die die Autoren des GG aus dem Nationalsozialismus gezogen haben. Die Gefahr des demokratiefeindlichen Missbrauchs von Massenmedien ist immer gegeben, sei es durch den Staat oder durch Medienkonzerne. Dagegen steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk.
Gründungsprozess
Im Gegensatz zu den gesetzlich bestimmten Redakteursvertretungen der einzelnen Sender ist deren Arbeitsgemeinschaft ein freiwilliger Zusammenschluss. Redakteure der öffentlich rechtlichen Sender haben sich seit 1974 je nach Problemlage unregelmäßig getroffen. Notwendig ist der inhaltliche Austausch, weil typische Probleme und Konflikte selten in mehreren Sendern gleichzeitig auftreten. Durch die informelle Organisationsform der Arbeitsgemeinschaft können sich die Redakteursvertretungen schon auf das vorbereiten, was sie möglicherweise in ihren eigenen Sendern erwartet. Etatkürzungen waren z.B. Thema des Treffens beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt am 28. September 1974, an dem für die Redakteursvertretung des Westdeutschen Rundfunks Ulrich Wickert und Rüdiger Hoffmann teilnahmen. Das ist einem Protokoll in den Unterlagen der WDR-Redakteursvertretung zu entnehmen.
Formell gründeten am 28. November 1983 Redakteursvertreter von acht der damals zwölf bundesdeutschen Rundfunkanstalten (Deutsche Welle, Deutschlandfunk, Hessischer Rundfunk, Norddeutscher Rundfunk, Radio Bremen, Süddeutscher Rundfunk, Westdeutscher Rundfunk, ZDF) in Köln die AGRA, um unter dieser Bezeichnung in der Öffentlichkeit gemeinsame Positionen wirkungsvoller vertreten zu können.
Am 29. Oktober 2004 ergänzte die AGRA ihre 1983 formulierten Ziele, nachdem eine Resolution der WDR-Redakteure mit dem Titel Qualität statt Quote in der Öffentlichkeit für Aufsehen gesorgt hatte und die Intendanten versuchten, die Redakteursvertretungen der einzelnen Sender gegeneinander ausspielen zu können.[7] Die informellen Zusammenkünfte, die mindestens zweimal jährlich stattfinden, setzen senderübergreifend Akzente zur inneren Rundfunkfreiheit.
Öffentlich-rechtlicher Programmauftrag
Der öffentlich-rechtliche Programmauftrag, abgeleitet aus Artikel 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ist eine der Lehren, die die Autoren des Grundgesetzes aus der Zeit des Nationalsozialismus gezogen haben. Die Gefahr des demokratiefeindlichen Missbrauchs von Massenmedien ist immer gegeben, sei es durch den Staat oder durch Medienkonzerne. Dagegen steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Die in die AGRA delegierten Redakteure sehen die Erfüllung des Verfassungsauftrages als kontinuierliche Aufgabe an.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rolle der Redakteure im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seinem 6. Rundfunkurteil vom 5. Februar 1991 wie folgt klargestellt:[8] Durch eine darüber hinausgehende Redakteursbeteiligung an der Programmgestaltung und -verantwortung soll innerhalb des arbeitsteiligen Unternehmens Rundfunk diejenige Berufsgruppe gestärkt werden, die den Auftrag des Rundfunks, Medium und Faktor der Meinungsbildung zu sein, unmittelbar erfüllt. Deswegen handelt es sich bei der Redakteursbeteiligung nicht um die Einräumung externen Einflusses, sondern um interne Mitsprache bei der Wahrnehmung der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Funktion. Als solche wird sie den Redakteuren nicht im Interesse ihrer Selbstverwirklichung im Beruf oder zur Durchsetzung ihrer subjektiven Auffassungen eingeräumt, sondern zur Erfüllung ihrer Vermittlungsfunktion.
Jeweils in einem Redaktionsstatut ist für die Sender Deutsche Welle, Deutschlandradio, Hessischer Rundfunk, Norddeutscher Rundfunk, Radio Bremen, Saarländischer Rundfunk, Südwestrundfunk (seit 2015) und Westdeutscher Rundfunk die Funktion einer Redakteursvertretung, eines Programmmitarbeiterausschusses oder eines Redakteursausschusses festgeschrieben.
Im ZDF gilt statt eines Redaktionsstatuts eine Leitordnung.
Im Mitteldeutschen Rundfunk gibt es seit 2015 aufgrund einer Dienstvereinbarung einen Beirat der Intendantin. Dessen Tätigkeit und Aufgaben sollen nach einer angemessenen Frist evaluiert werden.
Für den Bayerischen Rundfunk gilt eine Dienstvereinbarung. Für ihn ist kein Redaktionsstatut gesetzlich festgeschrieben.
Geschäftsordnung
Die Arbeitsgemeinschaft der Redakteursausschüsse in Deutschland (AGRA) ist ein Zusammenschluss der Programm-Mitarbeitervertretungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands. Sie setzt sich für die Innere Rundfunkfreiheit ein.
Die Arbeitsgemeinschaft trifft sich mindestens einmal im Jahr und kann jederzeit auf Wunsch von Vertretern/innen aus mindestens vier Anstalten einberufen werden. Die AGRA wählt aus ihrer Mitte drei Sprecher/innen für zwei Jahre.
Stellungnahmen der AGRA erfolgen nach Abstimmung unter den Mitgliedern. Mehr als die Hälfte aller vertretenen Anstalten müssen einer Veröffentlichung zustimmen. Die Absprache erfolgt auch per E-Mail und wird durch die gewählten Sprecher organisiert.
Minderheitenvoten werden protokolliert.
(Die Geschäftsordnung wurde einstimmig angenommen auf der AGRA-Tagung am 29. Oktober 2004 beim NDR in Hamburg)
Im November 2015 als Sprecher der AGRA gewählt:
- Karl-Henry Lahman, RB
Im November 2015 als Stellvertreter gewählt:
- Georg Berg, WDR
- André Matthias, RBB
Veröffentlichungen
- Das Märchen von den kostenlosen Privatsendern vom 16. April 2015
- Nicht an der Glaubwürdigkeit sparen vom 15. November 2014
- Deutsche Welle nur ein Beispiel – Wo bleibt die Unabhängigkeit? vom 15. September 2014
- Berliner Erklärung zur Stärkung des öffentlich-rechtlichen Journalismus vom 9. Mai 2014
- Entscheidung des BVerfG in Sachen ZDF-Staatsvertrag vom 25. März 2014
- Kein Einzelfall vom 26. Oktober 2012
- ZDF-Redaktion widersteht politischem Druck vom 25. Oktober 2012
- AGRA unterstützt die Radioretter vom 14. März 2012
- Verhandlung über die Tagesschau-App vom 6. Februar 2012
- Das ist ja nochmal gut gegangen! vom 26. September 2011
- Bremer Erklärung vom 11. November 2011
- Saarbrücker Erklärung vom 11. Juni 2010
- Münchener Beschluss vom 12. Mai 2009
- Übersicht im AGRA-Blog
Einzelnachweise
- ↑ WDR-Gesetz
- ↑ Gesetz zum Staatsvertrag über den NDR
- ↑ Fall Brender: ARD-Redakteure sehen Gefahr für System (DWDL.de vom 12. März 2009
- ↑ Scharfe Kritik an Roland Koch Kölner Stadtanzeiger vom 13. März 2009
- ↑ Henning Voscherau: Politiker haben nicht zu entscheiden, was wir sehen dürfen (Hamburger Abendblatt, 27. März 2009)
- ↑ aus Rundschreiben des NDR Redakteursausschusses (Februar 2004)
- ↑ Beispielhaft seien die politischen Magazine genannt, die es in jedem Sender gab und die in publizistischer Konkurrenz zueinander standen.
- ↑ Urteil des BVerfG vom 5. Februar 1991 Az. 1 BvF 1/85, 1/88 via DFR
Literatur
- Wolfgang Hoffmann-Riem: Redaktionsstatute im Rundfunk Nomos (1972), ISBN 3789000574.
- Martin Stock: Innere Medienfreiheit: Ein modernes Konzept der Qualitätssicherung. Mit Textanhang: Redakteursstatute im Rundfunk. Nomos (2001), ISBN 3789072656.
- Redakteursausschüsse von ARD und ZDF gründen die AgRa, Funkkorrespondez Jg. 31. 1983. Nr 51/52. S. 15 - 16 (Scan)
- ARD-Redakteursausschüsse: Loewe untragbar, wenn Vorwürfe zutreffen, epd Kirche und Rundfunk, 1985. Nr. 78 S. 12 1/1 (Scan)
- Karl-Eberhard Hain: Rundfunkfreiheit und Rundfunkordnung Nomos (1993) ISBN 3789029974.
Weblinks
- AGRA-Blog
- Kuhn: "Berlusconisierung des ZDF" muss verhindert werden (epd medien Nr. 20 vom 14. März 2009)
- Verfassungsrichter: Politik zu dominant beim ZDF FAZ vom 13. März 2009
- WDR-Redakteure fordern "Qualität statt Quote" (media|NRW vom 18.Februar 2004)
- Vorwürfe an SWF- Intendant Hilf (Abendblatt vom 3. April 1987)
- Zensur DIE ZEIT, 08.09.1972
- WDR-Redakteursvertretung (WDR.de)